Am Anfang war der Krieg. Mit den amerikanischen GIs kam 1950 auch frittiertes Hühnchen nach Südkorea. Die koreanische Küche adaptierte den simplen Snack, verfeinerte ihn und passte ihn an landestypische Geschmäcker an. Anstelle von hellbraun panierter fettiger Eintönigkeit besticht Korean Fried Chicken durch geschmackliche Vielfalt: Verschiedene Marinaden von Soja-Knoblauch bis Wasabi-Ingwer. In vielen deutschen Großstädten gibt es inzwischen Chicken nach koreanischer Art – mit ganz unterschiedlichen Ansätzen.
Jedes Jahr macht der Frankfurter Gastronom Ho-Seong Kim eine dreiwöchige Food-Tour durch seine Geburtsstadt Seoul. „Ich bin dann 16 bis 17 Stunden am Tag unterwegs, esse teilweise acht Mal.“ Auf einem seiner Trips verliebte er sich in „Chikin“, wie man in Korea das Geflügel eingeenglischt nennt.
Im Vergleich zur klassischen amerikanischen Variante werden die Keulen, Filets und Wings in Korea doppelt frittiert, das macht sie noch knuspriger. Häufig wird das Hühnchen nach dem ersten Frittiergang das erste Mal mariniert, ehe es nach dem zweiten Fettbad erneut mit Marinade bestrichen wird. Diese besteht klassisch aus einer zähflüssigen süß-scharfen Kombination aus Knoblauch, Ingwer, Zucker, Sesamöl, Honig und Gochujang, einer scharfen, fermentierten Chilipaste. Als Beilage gibt es keine Pommes, sondern Mu, in süßen Essig eingelegten Rettich, der die Schärfe perfekt kontrastiert.
KFC bekommt eine neue Bedeutung
In Südkorea gehört frittiertes Hühnchen heute zum festen Bestandteil der Esskultur. Die erste Franchisekette, Lims Chicken, eröffnete 1977, inzwischen expandieren Ketten wie Pelicana sogar in die Vereinigten Staaten. So schließt sich der Kreis. KFC? Steht in Korea (und diesem Artikel) nicht für die amerikanische Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken, sondern für Korean Fried Chicken.
Der Frankfurter Kim probierte sich jahrelang durch die verschiedenen Chicken-Buden und -Restaurants Seouls. Er konnte auch gar nicht anders. Wenn die Familie abends auf der Couch sitzt und gemeinsam einen Film schaut, wird frittiertes Hühnchen bestellt. Die beste Grundlage für eine Partynacht verschaffen sich junge Koreaner bei einem gemeinsamen Chimaek. Das Mischwort steht für eine Kombination aus „Chikin“ und „Maekju“, also „Hühnchen“ und „Bier“. In Korea gilt frittiertes Hühnchen als offiziell akzeptierter After-Meal-Snack. Bis heute sagt Kim, könne er eigentlich kein Fried Chicken mehr essen, er habe sich schlicht „überfressen“. Und trotzdem eröffnete er Ende 2017 in Frankfurt ein Hühnchenrestaurant nach koreanischem Vorbild.
Das „Gokio Bros.“ („gokio“, so kräht der Hahn auf Koreanisch), wie er seinen Laden in der Innenstadt genannt hat, ist nicht das erste Korean-Fried-Chicken-Restaurant Deutschlands, aber vielleicht das konsequenteste. Es ist einerseits bunt und knallig wie Seouls Foodmarket Gwangjang, gleichzeitig aufgeräumt und klar.
Viel helles Holz, Pastelltöne und klare Formen. Hier und da gibt es Elemente von Hühnerdraht, einem engmaschigen, sechseckigen Zaun, wie er in der Massentierhaltung zum Einsatz kommt. Ein ironisch gemeintes Detail, Kims Hühnchen kommen von einem kleinen Freilandhof aus dem Biosphärenreservat Rhön. „Wenn ich montags bestelle, dann wird Dienstag vor Ort geschlachtet und am Mittwoch geliefert.“ Das Brot für seine Chicken-Burger kommt von der Bäckerei auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Und auch sonst hat Kim einiges dafür getan, seine Chicken-Interpretation aus der Fast-Food-Schmuddelecke zu holen. Alan Ogden, der sich als Küchenchef der „King Kamehameha Suite“ 2008 einen Michelin-Stern erkochte, half beim Konzept. Das kross frittierte Hühnchen wird mit weißem und schwarzem Sesam, Granatapfelkernen, Frühlingszwiebeln und dünnen Nori-Algen-Streifen verfeinert, als Saucen gibt es würzige Seoul Mayo, süßliche Erdnuss-Sauce oder scharfe Chili-Sauce.
Ein anderer Sternekoch, der Berliner Tim Raue, outete sich in seiner WELT AM SONNTAG-Kolumne „Fast Food“ vor Kurzem ebenfalls als Korean-Fried-Chicken-Fan. Wie so häufig bei Trends in den Bereichen Food, Kultur oder Mode, ist die Hauptstadt Vorreiter in Deutschland. Hier eröffnete bereits 2011 das erste Korean-Fried-Chicken-Restaurant. „Angry Chicken“ (der Slogan lautet in Anspielung auf die Schärfe „So So Angry“) ist noch ein wenig knalliger, noch bunter, noch mehr Korea als das reduziert-elegante „Gokio Bros.“.
Die vor Marinade triefenden Hühnchenteile werden hier in Metallschüsseln serviert, gegessen wird unter bunten Neonröhren, auf einem Fernseher laufen K-Pop-Musikvideos. Die Geschäftsführerin Jae Youn Seo erinnert sich an die Anfänge. „Weil wir ja keinen Vergleich in Deutschland hatten, haben wir einen Mitarbeiter für ein halbes Jahr nach Korea geschickt, um dort bei einer großen Kette zu lernen.“ Mit Erfolg, seit Kurzem gibt es einen zweiten „Angry Chicken“-Laden. Ein anderes Berliner KFC-Konzept ist das „Guten Dag“. „Dag“, noch so ein Wortwitz, ist eine Anspielung auf die koreanische Bezeichnung für ein ganzes, gegrilltes Hähnchen. Die Mini-Imbissbude steht gut versteckt unter den U-Bahn-Gleisen der Linie U2, gegessen wird an zwei Metallstehtischen mit dazu gereichten schwarzen Einweghandschuhen.
„Gokio Bros.“-Chef Kim freut sich über die Vielfalt. Nicht anders sei es schließlich in Seoul. Angesprochen auf den im April in München eröffneten Hühnchen-Imbiss „Shibuya Fried Chicken“ des japanischen Sternekochs Tohru Nakamura, zögert Kim kurz. Und sagt dann lachend: „Jetzt nehmen die Japaner uns Koreanern auch noch das Chicken weg.“
Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.
August 04, 2020 at 09:19PM
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Fastfood-Trend: Das macht Korean Fried Chicken so besonders - DIE WELT
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Sauce Chili
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