Deutschlands Fußballnationalmannschaft hat nicht erst seit der russischen Monsterblamage mit einem ganzen Bündel von Problemen zu kämpfen, Torwartvergreisung, Hühnerhaufenabwehr, willensschwaches Mittelfeld, laues Lüftchen statt echter Sturm. Nur ein Problem hat Jogi Löw nicht: Der Koch der Mannschaft ist ein Guter, ein sehr Guter sogar, der vor Kraft und Selbstbewusstsein nur so strotzt, trotzdem noch weiß, was Demut ist, und einen klaren Kompass im Kopf hat. Stünde er nicht in der Küche, gehörte der Junge dringend auf dem Platz.

Anton Schmaus heißt der Koch, der 1981 im tiefsten Bayerischen Wald geboren wurde und den Gasthof seiner Familie in vierzehnter Generation übernehmen sollte. Doch er ging in die weite Welt hinaus, machte eine Lehre bei einem schwäbischen Sternekoch, zog weiter in die Schweiz, stand beim Drei-Sterne-Chef Thomas Keller in New York am Herd und hatte im „F12“ in Stockholm sein Erweckungserlebnis, damals das beste, innovativste, avantgardistischste Lokal der Stadt. Danach wusste Schmaus, dass er nicht mehr in den Wald zurück konnte, sondern in die Großstadt musste. „Storstadt“, Großstadt auf Schwedisch, nannte er folgerichtig sein Restaurant, das in der fünften Etage eines achthundert Jahre alten Patrizierhauses im Herzen von Regensburg liegt – das wiederum in der Liste der deutschen Großstädte auf dem fünfundfünfzigsten Platz rangiert.
Der Mann hat Humor und stellt als weiteren Beweis seiner Selbstironie vier selbstgemachte Knäckebrote zum Knabbern auf den Tisch – um sofort danach jede Befürchtung, im „Storstadt“ werde ein oberpfälzischer Aufguss der neuen skandinavischen Küche serviert, virtuos zu zerstreuen. Ein Macaron aus weißer Schokolade mit Blumenkohlcreme und Impérial-Kaviar und ein Blumenkohlsüppchen mit Couscous, Kräuteröl und Kaviar vom Stör und Hering zerreißen leichthändig die Ketten jedes radikalen Regionalismus, schmecken allerdings auch so klar, geradlinig und puristisch, wie es der skandinavisch minimalistischen Einrichtung des Lokals mit Logenblick auf den Regensburger Dom angemessen ist.
Dass sich Schmaus kulinarisch in der ganzen Welt zu Hause fühlt, zeigt er auch mit seiner pochierten Königskrabbe, die auf einem Bett aus Sushi-Reis ruht, in einem Yuzu-Sud planscht, von gepufftem Wildreis und frittiertem Shiso gekrönt wird und sich von der chinesischen Würzsauce XO auf der Basis von getrockneten Jakobsmuscheln, Shrimps und Chili-Schoten befeuern lässt. Säure und Schärfe, zwei Konstanten in der Küche von Schmaus, sind hier indes so dominant, dass sie die Königskrabbe ein wenig zu stürmisch vor sich hertreiben. Aber so ist das nun einmal, wenn der Chef des Hauses die Offensive liebt.
Der Chef-Physiotherapeut empfahl ihn
„Meine Küche muss knallen“, sagt Anton Schmaus, der nichts Feingeschliffenes, nicht Konventionelles, nicht leicht Konsumierbares auf den Tisch bringen will. Stattdessen kombiniert er sich sein eigenes Surf and Turf aus einem Taler vom grob gewürfelten Thunfisch-Tatar und einer darauf liegenden Scheibe aus roh mariniertem Kobe-Rind und garniert das Ganze mit frittierter Quinoa, Soja-Gel und Ponzu-Sud. Das knallt tatsächlich, ohne aber grobschlächtig zu werden, und mit leichter Nostalgie denken wir uns, dass Jogi Löw einen Mittelstürmer mit einem Wumms wie bei diesem Gericht dringend gebrauchen könnte.
July 10, 2020 at 02:25AM
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Köche vor, noch ein Tor - F.A.Z. - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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Sauce Chili
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